Wenn der Paketbote keinmal klingelt

Alle Jahre wieder bricht unter Online-Händlern zur Weihnachtszeit eine Goldgräberstimmung aus. Denn der Weihnachtshandel beschert Online-Händlern häufig einen Rekordumsatz. Des einen Freud ist aber oft des anderen Leid. Insbesondere in dieser Hochzeit haben die Zusteller der Versandunternehmen ein hohes Pensum zu absolvieren, das aufgrund der Fülle an Sendungen kaum zu bewältigen ist.

Zahlreiche Verbraucher beschweren sich, dass Zusteller die Sendung einfach schnell beim Nachbarn im Erdgeschoss abgeben. Soll es noch schneller gehen, legen manche Zusteller das Paket auch einfach vor die Haustür oder verstecken es hinter dem Blumenkübel auf der Terrasse.

Doch ist das rechtlich überhaupt erlaubt und wer haftet, wenn dies schiefgeht? Diese Fragen beantworten wir Ihnen in diesem Rechtstipp der Woche.

 

Entscheidend ist der Zeitpunkt des Gefahrübergangs

Schwierigkeiten sind vorprogrammiert, sofern das von Ihnen beauftragte Versandunternehmen eine Sendung auf dem Grundstück des Käufers deponiert oder bei dem Nachbarn abgibt, Ihr Kunde es letztendlich aber nicht erhält. Es stellt sich dann die Frage, ob Sie Ihren Kaufpreisanspruch verlieren und gegebenenfalls den bereits gezahlten Kaufpreis dem Käufer zurückerstatten müssen.

Diese vermeintlich einfache juristische Frage wirft verschiedene Probleme auf. § 446 S.1 BGB bestimmt grundsätzlich, dass die Preisgefahr mit Übergabe der Kaufsache auf den Käufer übergeht. Der Käufer muss danach ab Übergabe, trotz zufälligen Untergangs der Kaufsache, den Kaufpreis zahlen, obwohl er die Kaufsache nicht erhält.

Übergabe setzt im Sinne der Vorschrift regelmäßig die Verschaffung des unmittelbaren Besitzes voraus. Bildlich gesprochen muss der Käufer die Sendung „in den Händen halten“.

Der Online-Handel beruht jedoch auf dem Prinzip des Versendungskaufs. Beim Versendungskauf ist der Übergang der Preisgefahr nach § 447 Abs. 1 BGB auf den Zeitpunkt der Auslieferung der Kaufsache an die Transportperson vorverlegt. Ab Auslieferung an die Transportperson muss der Käufer trotz zufälligen Untergangs der Kaufsache den Kaufpreis bezahlen.

Diese verkäuferfreundliche Regel greift jedoch nur, sofern beide Parteien Unternehmer sind (B2B). Nach § 475 Abs. 2 BGB findet § 447 Abs. 1 BGB bei einem Verbrauchsgüterkauf regelmäßig keine Anwendung.

Vielmehr tragen Sie als Online-Händler bei einem Versendungskauf an einen Verbraucher das Transportrisiko und damit die Preisgefahr, die erst mit der tatsächlichen Übergabe auf den Verbraucher übergeht. Es gilt also im Grundsatz „keine Ware – kein Geld!

 

Liegt eine Abstellgenehmigung vor?

Eine Ausnahme gilt zunächst, sofern der Verbraucher dem Versandunternehmen eine Abstellgenehmigung erteilt hat. Es handelt sich bei einer Abstellgenehmigung um einen Vertrag zwischen dem Versandunternehmen und dem Empfänger der Sendung. Die Bezeichnung der Abstellgenehmigung unterscheidet sich teilweise je nach Versandunternehmen. Bei DHL lautet sie „Wunschort“, bei DPD hingegen „Abstell-Okay“ und Hermes bewirbt sie als „WunschAblageort“.

Der Empfänger ermächtigt das Versandunternehmen je nach Ausgestaltung einmalig oder dauerhaft, die Sendung an einem vereinbarten Ort abzulegen. Geeignete Ablageorte können beispielsweise eine Garage, ein Gartenhaus oder eine überdachte Terrasse darstellen.

Sollte der Empfänger am Zustellungstag nicht anzutreffen sein, legt der Zusteller die Sendung an dem vereinbarten Ort ab und quittiert dies. Ab diesem Zeitpunkt gilt die Sendung als ordnungsgemäß zugestellt.

Sofern der Zusteller die Sendung an den vereinbarten Ablageort deponiert hat, muss sich der Empfänger so behandeln lassen, als sei ihm die Sendung persönlich übergeben worden. Die Erteilung einer Abstellgenehmigung ist daher mit einem hohen Risiko für den Käufer verbunden und sollte gut überlegt sein.

 

Dürfen Versandunternehmen das Paket beim Nachbarn abgeben?

Diese Frage stellen sich viele Online-Händler. Eine vermeintliche Antwort auf diese Frage finden Sie in den AGB Ihres beauftragten Versandunternehmens. Ohne eine Einwilligung des Absenders ist eine Zustellung der Sendung grundsätzlich nur an den eigentlichen Empfänger der bestellten Ware zulässig.

Daher behalten sich viele Versandunternehmen in ihren AGB eine Ersatzzustellung an „Angehörige des Empfängers“, „andere in den Räumen des Empfängers anwesende Personen“ und „Hausbewohner und Nachbarn des Empfängers“ vor.

Die Gerichte betrachten die Möglichkeit einer Ersatzzustellung an den Nachbarn jedoch äußerst kritisch.

Das OLG Köln (Urteil v. 2.3.2011 - 6 U 165/10) hat entschieden, dass die Nachbarschaftsklausel eines Versandunternehmens, durch die der Zusteller ermächtigt wird, die Sendung an einen Ersatzempfänger auszuhändigen, unzulässig ist, sofern darin nicht verbindlich festgelegt ist, dass der eigentliche Empfänger der Sendung über die Ersatzzustellung zu informieren ist.

Der BGH erachtet in einer jüngeren Entscheidung (BGH, Beschluss v. 24.03.2016 − I ZR 113/15) den Begriff „Nachbar“ weiterhin als zu unbestimmt und sieht die entsprechende AGB Klausel überdies als unangemessene Benachteiligung an.

Gleichwohl kann nicht von einer allgemeingültigen Unwirksamkeit der Ersatzzustellungsklausel in den AGB der einzelnen Versandunternehmen ausgegangen werden. Eine gefestigte Rechtsprechung besteht nicht und es ist vielmehr eine Frage des jeweiligen Einzelfalles.

Möchten Sie als Absender auf Nummer sicher gehen, können Sie eine Ersatzzustellung ausschließen. DHL bietet beispielsweise den Service „keine Nachbarschaftszustellung“ an, mit dem Sie eine Ersatzzustellung bei einem Nachbarn verhindern können.

Die meisten Versandunternehmen bieten auch die Bestimmung eines Wunschnachbarn an. Der Kunde kann einen bestimmten Nachbarn festlegen, an den der Zusteller die Sendung übergeben soll, sofern er nicht zu Hause ist.

 

Wer haftet, wenn etwas schiefläuft?

Die Abstellgenehmigung und die Ersatzzustellung stellen, sofern Ihr Kunde letztendlich seine Sendung erhält, sinnvolle Instrumente dar, die die Beteiligten entlasten. Der Zusteller muss keinen zweiten Zustellversuch unternehmen und der Kunde erhält unabhängig vom genauen Zustellzeitpunkt die Sendung pünktlich. Probleme treten dann auf, wenn die Sendung aus dem vermeintlich sicheren Ablageort entwendet wird oder bei dem Nachbarn verloren geht.

Hat Ihr Kunde dem Versandunternehmen eine Abstellgenehmigung erteilt, geht zum Zeitpunkt der vertragsgemäßen Ablage der Sendung an dem Ablageort die Preisgefahr auf den Verbraucher über. Sollte die zugestellte Sendung nun am Ablageort entwendet werden, bleibt Ihr Kunde zur Bezahlung des Kaufpreises verpflichtet. Ein entsprechender Beweis der Zustellung gelingt Ihnen durch die Zustellquittung des Versandunternehmens.

Sollte jedoch keine Abstellgenehmigung vorliegen oder das Paket vertragswidrig an einem anderen Ort abgelegt werden, geht die Preisgefahr nicht auf den Verbraucher über. Im Falle eines Abhandenkommens der Sendung müssen Sie als Verkäufer die Ware zwar nicht erneut an den Kunden versenden, Sie verlieren aber Ihren Kaufpreisanspruch. Der Käufer muss deshalb den Kaufpreis nicht zahlen und kann ihn, sollte er ihn bereits bezahlt haben, von Ihnen zurückverlangen.

In diesem Fall können Sie aus dem zwischen Ihnen und dem Versandunternehmen geschlossenen Frachtvertrag Ansprüche gegen Frachtführer geltend machen. Das vertragswidrige Ablegen der Sendung vor der Tür des Käufers stellt keine ordnungsgemäß Ablieferung nach § 425 Abs. 1 HGB dar und es besteht ein Schadensersatzanspruch.

Schwieriger zu beurteilen ist die Rechtslage bei einem Verlust der Sendung nach der Annahme durch den Nachbarn. Entscheidend ist, ob die die Ersatzzustellungsklausel in den AGB des Versandunternehmens wirksam ist. Dies ist jedoch eine Frage des konkreten Einzelfalles. Sofern eine Ersatzzustellung wirksam vereinbart wurde, kann in der Übergabe der Sendung an den Nachbarn ein Übergang der Preisgefahr nach § 446 S.1 BGB erblickt werden.

Dies ist jedoch gerichtlich noch nicht entschieden worden. Es sprechen auch Argumente dafür, dass erst die Übergabe an den Käufer maßgeblich ist. Rechtssicherheit besteht daher nicht und es bleibt abzuwarten, wie die Gerichte derartige Fälle beurteilen.

Ein Anspruch auf erneute Lieferung der Ware besteht in keinem der geschilderten Fälle. Sobald Sie die Ware aus Ihrem Lager aussondern und dem Versandunternehmen übergeben, konkretisiert sich Ihre Leistungspflicht nach § 243 Abs. 2 BGB auf diese ausgesonderte Ware.

Die Konsequenz besteht darin, dass Sie bei einem von Ihnen nicht zu vertretenden Untergang der geschuldeten Ware nach § 275 Abs. 1 BGB von Ihrer Leistungspflicht frei werden.

 

Unser Tipp

Sollte die Sendung vor der Übergabe an den Verbraucher verloren gehen, verlieren Sie grundsätzlich Ihren Kaufpreisanspruch und sind zur Rückzahlung eines bereits gezahlten Kaufpreises verpflichtet. Liegt hingegen eine Abstellgenehmigung vor und das Versandunternehmen legt die Sendung vertragsgemäß ab, besteht keine Rückzahlungspflicht.

Wichtig ist, die Zustellquittung des Versandunternehmens zu verwahren, um eine ordnungsgemäße Zustellung am Ablageort nachweisen zu können. Rechtliche Unsicherheiten bestehen insbesondere bei der Ersatzzustellung an einen Nachbarn. Daher empfiehlt es sich, die Ersatzzustellung bei dem beauftragten Versandunternehmen auszuschließen.

 

Über den Autor


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Thomas Josef Zieba ist Legal Consultant bei der Trusted Shops GmbH im Bereich Legal Expert Services. Studium der Rechtswissenschaft an der Universität Münster. Referendariat im Bezirk des Oberlandesgerichts Köln mit Stationen u.a. bei der Kanzlei WILDE BEUGER SOLMECKE und HMS Barthelmeß Görzel Rechtsanwälte. Von Oktober 2017 bis August 2018 Tätigkeit als Rechtsanwalt im Bereich Handels- und Wirtschaftsrecht bei der Kanzlei GRP Rainer Rechtsanwälte, dort unter anderem zuständig für die Betreuung internationaler Mandate. Seit September 2018 Legal Consultant bei der Trusted Shops GmbH.

12.12.19

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