Retourenschwemme - Dürfen Sie Kundinnen und Kunden sperren?

Übermäßige Retouren beschäftigen mittlerweile zweifelsohne nicht nur Online-Händlerinnen und Online-Händler, sondern auch die Politik. Erst kürzlich das Bundeskabinett einen Gesetzentwurf zur Änderung des Kreislaufwirtschaftsgesetzes (KrWG-E) auf den Weg gebracht. Dabei wird unter anderem auch die Einführung einer sog. „Obhutspflicht“ vorgesehen, welche die Vernichtung von Retouren und Warenüberhängen verhindern soll.

Spätestens mit dem § 25 Abs. 1 Nr. 9 KrWG-E, der die Grundlage für eine Berichtspflicht schafft, dürfte deutlich werden wie groß die Last mit übermäßigen Retouren für Sie tatsächlich ist. Denn nach dieser Vorschrift müssen Sie deutlich und nachvollziehbar dokumentieren, wie Sie mit retournierten und nicht verkauften Waren umgehen.

Wir erklären Ihnen, worauf es beim Umgang mit Retouren ankommt. Unsere Erfahrung hat nämlich gezeigt, dass Sie entgegen der üblichen Praxis lange nicht jede Retoure annehmen müssen.

 

Grundlagen Widerrufsrecht: Ab wann gilt es ?

Üblicherweise machen widerrufsbedingte Rücksendungen den größten Anteil an Retouren aus. Dabei steht Verbrauchern für über das Internet geschlossene Verträge grundsätzlich nach § 312g BGB und § 355 BGB ein Widerrufsrecht zu. Dieses Recht ist jedoch an bestimmte Voraussetzungen geknüpft. Eine Pflicht zur Rücknahme besteht nur bei wirksam ausgeübtem Widerrufsrecht.

 

1.    Form der Widerrufserklärung

Die Ausübung des Widerrufs ist an keine Form gebunden und die Kundin oder der Kunde kann den Widerruf daher mündlich, telefonisch, durch E-Mail oder Fax erklären. Dabei tragen Verbraucher für Inhalt, Absendung und Zugang des Widerrufs die Beweislast. Die Unternehmerinnen bzw. Unternehmer können dem Verbraucher nach §356 Abs.1 BGB ermöglichen, das Widerrufsformular nach Anlage 2 zu Art. 246 a § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EGBGB oder eine andere eindeutige Widerrufserklärung auf ihrer Webseite auszufüllen und zu übermitteln.

Beachten Sie, dass eine fehlende Formvorschrift nicht von der Pflicht zur Erklärung entbindet. Der Wille, den Vertrag zu Widerrufen muss ausdrücklich erklärt werden. Sollten Sie also keine ausdrückliche Erklärung erhalten, aus der der Wille zum Widerruf hervorgeht, bleibt der Vertrag bestehen.

 

 2.    Kein Widerruf durch schlichte Rücksendung

Dies gilt insbesondere, entgegen der früher einmal geltenden Rechtslage, auch für eine unangekündigte Rücksendung. Der Widerruf kann nicht durch eine kommentarlose Rücksendung der Ware erklärt werden. Der Verbraucher muss der Rücksendung eine eindeutige Erklärung beifügen. Es steht Ihnen als Verkäuferin oder Verkäufer jedoch frei, als Widerrufsmöglichkeit eine kommentarlose Rücksendung genügen zu lassen.

 

3.    Ausschluss für bestimmte Waren

In einigen gesetzlich bestimmten Ausnahmefällen kann das Widerrufsrecht jedoch vom Händler ausgeschlossen werden (§ 312g Abs. 2 BGB). Dabei sind die gesetzlich normierten Ausnahmen nicht immer eindeutig und daher häufig Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen.

 

4.    Widerrufsfrist

 Die Widerrufsfrist beträgt 14 Tage und beginnt grundsätzlich nach § 355 Abs. 2 S. 2 BGB mit dem Vertragsschluss. Diese Frist können Sie zwar vertraglich verlängern, aber nicht verkürzen.

Bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und Fernabsatzverträgen beginnt die Frist abweichend von § 355 Abs. 2 S. 2 BGB, gem. § 356 Abs.2 Nr.1 lit. a) BGB wenn der Verbraucher oder ein von ihm benannter Dritter, der nicht Frachtführer ist, die Ware erhalten hat.

Maßgebend ist der physische Empfang der Ware durch den Verbraucher und folglich der Zeitpunkt, zudem er bzw. sie diese auch untersuchen kann. Nach Ablauf der Widerrufsfrist kann der Widerruf nicht mehr ausgeübt werden.

Unsere Kundinnen und Kunden finden für diesen Fall ein Musterformular in ihrem Legal Account.

Grundvoraussetzung für den Beginn der Widerrufsfrist ist, dass die Unternehmerin oder der Unternehmer seine Informationspflichten nach Art. 246 a §  1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB gegenüber dem Verbraucher ordnungsgemäß erfüllt hat. Das Gesetz stellt der Unternehmerin oder dem Unternehmer zur Erfüllung dieser Pflicht ein amtliches Muster für die Widerrufsbelehrung zur Verfügung, das dem Verbraucher in Textform zu übermitteln ist.

Verletzt der die Unternehmerin oder der Unternehmer seine Belehrungspflicht, so erlischt das Widerrufsrecht gem. § 356 Abs. 2 BGB spätestens zwölf Monate und 14 Tage nach dem regulären Beginn der Widerrufsfrist. Holt die Unternehmerin oder der Unternehmer innerhalb dieser Frist die Belehrung nach, löst dies die vierzehntägige Widerrufsfrist aus.

Um alle Informationspflichten nach Art. 246 a §  1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB gegenüber Verbrauchern ordnungsgemäß zu erfüllen, empfehlen wir die Nutzung des Trusted Shops Rechtstexters.

 

5.    Wertersatz bei beschädigter Ware

Sollten alle formellen Voraussetzungen des Widerrufs vorliegen, bleiben Sie grundsätzlich auch bei eindeutig gebrauchter, abgenutzter und beschädigter Ware nach dem Widerruf des Verbrauchers zur Rücknahme verpflichtet.

Allerdings haben Sie in diesen Fällen einen Anspruch auf Wertersatz für den Wertverlust der Ware, wenn der Wertverlust auf einen Umgang mit der Ware zurückzuführen ist, der zur Prüfung der Beschaffenheit, der Eigenschaften und der Funktionsweise der Ware nicht notwendig war. Zudem müssen Sie den Verbraucher hierauf in der Widerrufsbelehrung ordnungsgemäß hingewiesen haben.

Im Falle des bereits benutzten Rasenmähers kann die Händlerin bzw. der Händler somit vom Verbraucher Wertersatz verlangen. Den Anspruch auf Wertersatz können Sie dabei mit dem Anspruch des Verbrauchers auf Rückzahlung des Kaufpreises verrechnen und ihr oder ihm somit einen entsprechend verminderten Betrag zurückzahlen. Wie hoch der Wertersatzanspruch ist, hängt von den jeweiligen Umständen des Einzelfalles ab.

Auch für den Fall des Wertersatzes bei beschädigter Ware finden unsere Kundinnen und Kunden ein Muster in ihrem Legal Account.

 

6.    Sperrung des Kundenkontos

Als letztes Mittel könnte der Ausschluss der Kundin oder des Kunden von der Bestellung dienen. Dabei ist jedoch zu beachten, dass das dem Verbraucher gesetzlich nach § 312g BGB zustehende Widerrufsrecht an keine quantitativen Höchstgrenzen gebunden ist.

Unabhängig davon besteht jedoch der Grundsatz der Vertragsfreiheit. Dieser besagt unter anderem, dass jede Privatperson frei darüber entscheiden kann, ob und mit wem sie einen Vertrag abschließen will oder nicht. Die Vertragsfreiheit gilt zwar nicht ausnahmslos, die Ausnahmetatbestände dürfen im Regelfall jedoch nicht einschlägig sein.

Solange kein Vertrag zustande gekommen ist, steht es Ihnen frei, Bestellungen der jeweiligen Kundin bzw. des Kunden nicht anzunehmen. Die Ablehnung müssen Sie nicht begründen.

Ist der Vertrag bereits mit der Bestellung durch die Kundin bzw. den Kunden zustande gekommen z. B. durch das Verwenden von sofortigen Zahlungsmitteln (wie z. B. Sofortüberweisung), sind Sie zunächst zur Lieferung verpflichtet. Sie sind ausnahmsweise dann nicht gezwungen, die Ware zu liefern, wenn die Grenze zulässiger Widerrufsbegehren überschritten wurde und sich der Verbraucher hierbei rechtsmissbräuchlich verhält. In einem solchen Fall kann das Widerrufsrecht versagt werden, sodass auch eine Weigerung für zukünftige Vertragsschlüsse Ihrerseits zulässig ist.

 

 

Unser Tipp

Prüfen Sie genau, ob die jeweiligen Voraussetzungen für einen wirksam ausgeübten Widerruf vorliegen. Stellen Sie sicher, dass Sie alle Informationspflichten erfüllen und die Widerrufsfrist tatsächlich in Gang gesetzt wird.

 

Über den Autor


Thomas Josef Zieba ist Legal Consultant bei der Trusted Shops GmbH im Bereich Legal Expert Services. Studium der Rechtswissenschaft an der Universität Münster. Referendariat im Bezirk des Oberlandesgerichts Köln mit Stationen u.a. bei der Kanzlei WILDE BEUGER SOLMECKE und HMS Barthelmeß Görzel Rechtsanwälte. Von Oktober 2017 bis August 2018 Tätigkeit als Rechtsanwalt im Bereich Handels- und Wirtschaftsrecht bei der Kanzlei GRP Rainer Rechtsanwälte, dort unter anderem zuständig für die Betreuung internationaler Mandate. Seit September 2018 Legal Consultant bei der Trusted Shops GmbH.

04.06.20

Thomas Josef Zieba

Thomas Zieba ist Rechtsanwalt der Kanzlei FÖHLISCH und als Teamlead Legal Key Account Consulting bei Trusted Shops tätig. Er studierte Rechtswissenschaften an der Universität Münster.

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