Der richtige Umgang mit Warenreklamationen in der Praxis und in Ihren AGB – Teil 2

Als Online-Händler haften Sie für Mängel an der gelieferten Sache. Wann ein Mangel Ihre Haftung auslöst und welche Besonderheiten Sie bei der Feststellung des Mangels beachten sollten, haben wir im ersten Teil unserer Beitragsreihe erörtert. Lesen Sie mehr, welche Regeln sie im Zusammenhang mit den einzelnen Gewährleistungsrechten Ihrer Kunden beachten sollten!

Im Gewährleistungsfall kann sowohl der gewerbliche als auch der private Kunde nach § 437 BGB

  • Nacherfüllung durch Nachbesserung oder Neulieferung verlangen,
  • von dem Vertrag zurücktreten oder den Kaufpreis mindern und
  • Schadensersatz oder Ersatz vergeblicher Aufwendungen verlangen.

Werden in den AGB keine Einschränkungen getroffen, sind die folgenden Regeln zu beachten:

Neulieferung oder Mangelbeseitigung – der Käufer hat die Wahl

Der Kunde hat vorrangig einen Anspruch auf Nacherfüllung. Im Rahmen der Nacherfüllung hat er zunächst  die Wahl zwischen der Lieferung einer neuen, mangelfreien Sache und der Beseitigung des Mangels (§ 439 Abs. 1 BGB). Entscheidet er sich für die Mangelbeseitigung, müssen Sie die Ware reparieren (lassen). Dies kann entweder bei Ihnen oder beim Kunden vor Ort erfolgen. Wo der richtige Ort liegt und welche Vereinbarungen in den AGB in diesem Zusammenhang sinnvoll sind, können Sie in unserem ersten Beitrag lesen. Wählt der Kunde hingegen die Neulieferung müssen Sie die Ware austauschen.

Von einer abweichenden Vereinbarung in den AGB raten wir ab. Gegenüber Verbrauchern ist eine Klausel, die das Wahlrecht dem Händler einräumt, stets unzulässig. Die Rechtslage im unternehmerischen Geschäftsverkehr ist hingegen noch nicht abschließend geklärt, so dass hier ein Abmahnrisiko nicht ausgeschlossen werden kann.

Was der Käufer ohne eine Rücksprache mit Ihnen nicht darf, ist die Ware selbst zu reparieren bzw. reparieren zu lassen und Ihnen die Kosten in Rechnung zu stellen. Durch die sog. Selbstvornahme kann er vielmehr seine Gewährleistungsrechte verlieren.

Sie können die vom Käufer gewählte Art der Nacherfüllung nur verweigern, wenn sie unmöglich oder mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden ist (§ 439 Abs. 3 BGB). In diesem Fall müssen Sie die andere Art der Nacherfüllung leisten.

Welche Rechte haben Sie beim Austausch der Ware?

Der Austausch ist besonders kostspielig, wenn die mangelhafte Sache bereits eingebaut worden ist. Der Europäische Gerichtshof hat mit Urteil vom 16.06.2011 (Rechtssachen C-65/09 und C-87/09) entschieden, dass in solchen Fällen der Verkäufer auch den Ausbau der mangelhaften und den Einbau der Austauschware schuldet.  Dies gilt jedoch nach der ausdrücklichen Rechtsprechung des BGH nur im B2C-Bereich (BGH, Urteil vom 17.10.2012, VIII ZR 226/11).

Tauschen Sie die Ware aus, können Sie selbstverständlich die Herausgabe der mangelhaften Sache verlangen (§ 439 Abs. 4 BGB). Ob dies auch wirtschaftlich sinnvoll ist, ist eine Frage des Einzelfalls, da Sie auch diesbezüglich die Transportkosten tragen.

Im B2B-Geschäftsverkehr steht Ihnen sogar ein Nutzungsersatzanspruch für den Zeitraum der Nutzung der mangelhaften Sache gemäß zu. Gegenüber Verbrauchern gilt das hingegen nicht (§ 474 Abs. 5 Satz 1 BGB).

Damit Sie von der günstigen Rechtslage gegenüber gewerblichen Käufern profitieren, ist keine Regelung in den AGB erforderlich. Vielmehr werden B2B- und B2C-Kunden bereits von Gesetzes wegen unterschiedlich behandelt.

Rücktritt, Kaufpreisminderung und Schadensersatz – erst nach Fristsetzung

Von seinen weiteren Gewährleistungsrechten kann der Kunde grundsätzlich nur dann Gebrauch machen, wenn er dem Händler eine angemessene Frist zur Nacherfüllung gesetzt hat und diese erfolglos abgelaufen ist. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die vom Kunden gesetzte Frist an sich angemessen war. Eine zu kurz bemessene Frist löst den Gang einer angemessenen aus (BGH, Urteil vom 12.08.2009, VIII ZR 254/08).

Eine Fristsetzung ist allerdings entbehrlich, wenn

  • der Händler die Nacherfüllung unberechtigt oder aber als unverhältnismäßig verweigert,
  • beide Arten der Nacherfüllung unmöglich sind,
  • die Nacherfüllung für den Käufer unzumutbar ist, z.B. wenn Sie den Mangel bewusst verschwiegen haben oder
  • die Nachbesserung fehlgeschlagen ist. Die Nachbesserung gilt grundsätzlich nach dem erfolglosen zweiten Versuch als fehlgeschlagen.

In diesen Fällen kann der Kunde direkt vom Vertrag zurücktreten, eine Minderung des Kaufpreises oder Schadensersatz verlangen.

Rücktritt und Kaufpreisminderung

Liegen die obigen Voraussetzungen vor, hat der Kunde die Möglichkeit, vom Vertrag zurückzutreten, es sei denn, der Mangel ist unerheblich. Ob dies der Fall ist, richtet sich nach der Warenqualität, der Funktionsbeeinträchtigung sowie nach dem Aufwand für seine Beseitigung.

So hat der BGH die Erheblichkeit bei einem Beseitigungsaufwand von über 5% des Kaufpreises bejaht (Urteil vom 28.05.2014, VIII ZR 94/13) und bis zu 1% verneint (Urteil vom 29.06.2011, VIII ZR 202/10).

In diesem Fall müssen Sie dem Kunden den Kaufpreis zurückerstatten. Im Unterschied zu der Rückabwicklung im Fall des Widerrufs müssen Sie die Versandkosten jedoch nicht erstatten. Der Kunde hat Ihnen wiederum die Ware zurückzusenden. Anders als beim Austausch der defekten Ware im Wege der Nacherfüllung, dürfen Sie in diesem Fall eine Nutzungsentschädigung verlangen (BGH, Urteil vom 16.09.2009, VIII ZR 243/08).

Kann der Käufer die Ware nicht zurückgeben, weil er sie verarbeitet oder umgestaltet hat, so schuldet er Wertersatz, es sei denn, der Mangel hat sich erst während der Verarbeitung oder Umgestaltung des Gegenstandes gezeigt.

Beispiel: Kauft der Kunde Produkte für die Selbstherstellung von Kosmetik und wird es erst nach der Herstellung klar, dass eine der Zutaten mangelhaft war, muss er keinen Wertersatz zahlen.

Ähnlich verhält es sich bei einer Zerstörung bzw. Verschlechterung des Warenzustandes. Ausnahmen gelten jedoch für

  • eine Verschlechterung aufgrund der bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme,  also aufgrund eines kurzen Ausprobierens der Ware;
  • eine Verschlechterung oder einen Untergang, soweit Sie als Verkäufer diesen Umstand zu vertreten haben oder er bei Ihnen gleichfalls eingetreten wären; kein Wertersatz wird nach dieser Regelung in den Fällen geschuldet, in denen der Mangel selbst zum Wertverlust oder Untergang der Ware geführt hat oder dies durch einen bloßen Zufall passiert ist;
  • eine Verschlechterung oder einen Untergang, der beim Kunden eingetreten ist, obwohl er diejenige Sorgfalt beobachtet hat, die er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt; da der Käufer beim Kauf der Ware nicht damit rechnet, dass sie mangelhaft ist und er sie möglicherweise deswegen zurückgeben muss, sollte er keine Nachteile haben, wenn er mit der Sache weniger sorgsam umgeht, falls dies für ihn typisch ist.

Anstelle des Rücktritts vom Vertrag kann der Kunde aber den Kaufpreis mindern.

Schadens- bzw. Aufwendungsersatz schulden Sie nicht in jedem Fall!

Je nach Verwendungszweck der gekauften Sache können dem Käufer durch die mangelhafte Lieferung hohe Schäden entstehen.

Handelt es sich z.B. um Produktionsgeräte, kommen Betriebsausfälle in Betracht. Aber auch private Käufer können einen Nutzungsausfallschaden geltend machen – z.B. für die Kosten eines Mietwagens für die Zeit, in der der eigene repariert wird. Nicht selten sind auch die Fälle, in denen der Mangel Schäden an anderen Sachen verursacht, z.B. wenn sich das defekte Küchengerät in Flammen setzt.

Aus diesem Grund wird dem Käufer neben dem Rücktrittsrecht auch ein Schadensersatzanspruch  bzw. ein Anspruch auf Ersatz vergeblicher Aufwendungen (§ 437 Nr. 3 BGB) eingeräumt. Schadensersatz schulden

Sie jedoch nur, wenn Sie die mangelhafte Lieferung zu vertreten haben. Handelt es sich dabei um einen Produktionsfehler, ist dies nicht der Fall. Sie haften aber wiederum für alle Schäden, die dadurch entstanden sind, dass Sie unberechtigterweise die Nachlieferung verweigert haben.

Einschränkung der Gewährleistungsrechte ist nur bedingt möglich

Einschränkungen sind nur in sehr engen Grenzen zulässig. Die Regelung des § 475 BGB verbietet jegliche Einschränkungen der Gewährleistungsrechte des Verbrauchers bis auf eine Verkürzung der Verjährungsfrist.

Wie weit Ihr Gestaltungsspielraum im B2B-Bereich ist, richtet sich zunächst nach der Person Ihres Abnehmers. Bei einem Lieferantenregress beim Verbrauchsgüterkauf ist es nach § 478 Abs. 4 BGB grundsätzlich nur dann erlaubt, die Gewährleistungsrechte des Einzelhändlers einzuschränken, wenn Sie für die Schlechterstellung gleichzeitig einen gleichwertigen Ausgleich vorsehen.

Im Übrigen wendet die Rechtsprechung die Grundsätze aus § 309 Nr. 8 b) BGB auch auf Verträge im unternehmerischen Geschäftsverkehr entsprechend an. Danach ist eine Klausel unter anderem dann unzulässig, wenn sie

  • die Gewährleistungsrechte insgesamt oder teilweise ausschließt, auf Dritte beschränkt oder von der vorherigen gerichtlichen Inanspruchnahme Dritter abhängig macht;
  • die Gewährleistungsrechte insgesamt oder teilweise auf ein Recht auf Nacherfüllung beschränkt, sofern dem Käufer nicht ausdrücklich das Recht vorbehalten wird, bei Fehlschlagen der Nacherfüllung den Kaufpreis zu mindern;
  • die Pflicht des Verkäufers ausschließt oder beschränkt, die Kosten der Nacherfüllung zu tragen;
  • die Nacherfüllung von der vorherigen Zahlung des vollständigen Entgelts oder eines unter Berücksichtigung des Mangels unverhältnismäßig hohen Teils des Entgelts abhängig macht.

Aufgrund der Komplexität des Themas ist die Frage, welche Einschränkungen unter dem Strich zulässig bleiben, stets nach den Umständen des Einzelfalls zu beantworten. Im Zweifel sollte eine Beratung durch einen spezialisierten Rechtsanwalt erfolgen.

Unser TIPP

Bei der Ausgestaltung Ihrer AGB sollten Sie die Mängelhaftung gegenüber Verbrauchern bis auf eine Verkürzung der Verjährungsfrist nicht einschränken. Im B2B-Bereich ist ebenfalls Vorsicht geboten. Im Zweifel sollten Sie sich anwaltlich beraten lassen. In der Praxis gilt wiederum der Grundsatz: Ignorieren Sie nie die Nacherfüllungsaufforderung Ihrer Kunden. Dies kann unter Umständen teuer werden, denn in diesem Fall dürfen Sie auch Ihren Lieferanten nicht mehr in Regress nehmen.

Über die Autorin

autor_tanya_stariradeffTanya Stariradeff ist Rechtsanwältin und Legal Consultant bei Trusted Shops. Sie studierte Rechtswissenschaft an der Universität Bonn mit den Schwerpunkten Wirtschaft und Wettbewerb. Nach der ersten juristischen Prüfung vor dem OLG Köln folgten Stationen bei CMS Hasche Sigle und eBay und das zweite Staatsexamen. Tanya veröffentlicht in verschiedenen juristischen Zeitschriften zu rechtlichen Problemen des Onlinehandels. Seit Mai 2008 ist sie Mitarbeiterin der Rechtsabteilung der Trusted Shops.

18.05.16

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