Bekömmlich, gesund und abmahngefährdet – Stolperfallen bei Health Claims

Ob Sie nun Olivenöl, Tee oder Multivitamintabletten anbieten – wer darauf hinweisen möchte, wie gesund die eigenen Produkte sind, tappt schnell in eine Abmahnfalle! Die Werbung mit sog. Health Claims wurde von der EU streng reglementiert. Wir haben daher die wichtigsten Fakten und Gerichtsentscheidungen für Sie zusammengestellt.

Was sind gesundheitsbezogene Angaben?

Bereits vor 10 Jahren erließ die EU die Verordnung 1924/2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel (sog. Health-Claims-VO, HCVO). Diese regelt, welche nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben in der Werbung für Lebensmittel verwendeten werden dürfen. Hierbei gelten auch Nahrungsergänzungsmittel als Lebensmittel.

Eine gesundheitsbezogene Angabe ist gemäß Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 HCVO

"jede Angabe, mit der erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Zusammenhang zwischen einer Lebensmittelkategorie, einem Lebensmittel oder einem seiner Bestandteile einerseits und der Gesundheit andererseits besteht."

Der zugrunde liegende Gesundheitsbegriff umfasst auch das seelische Gleichgewicht (BGH, Urteil v. 24.7.2014 – I ZR 221/12 – Original Bach-Blüten).

Keine nährwert- oder gesundheitsbezogene Angabe

Allgemeine werbliche Übertreibungen sind hiervon jedoch nicht erfasst. Werbeaussagen, nach denen kein Joghurt mehr anmacht oder ein Energy-Drink Flügel verleiht, unterfallen nicht der Health Claims-VO.

Ab wann eine unter die HCVO fallende Angabe vorliegt, ist einzelfallbezogen zu beantworten. Allgemeine Bezeichnungen, die traditionell zur Angabe einer Eigenschaft einer Kategorie von Lebensmitteln verwendet werden, die Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit haben könnte, (wie z.B. "Hustenbonbon"), sind ausgenommen. Ferner sah der BGH in der Produktbezeichnung "Energy & Vodka" keine nährwertbezogene Angabe, sondern die beschreibende Aussage, dass es sich um ein Mischgetränk aus Vodka und Energydrink handelt (BGH, Urteil v. 09.10.2014, I ZR 167/12).

Was ist erlaubt?

1. Gesundheitsbezogene Angaben

Bei der Werbung mit gesundheitsbezogenen Angaben besteht ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt: Gesundheitsbezogene Angaben sind nach Art. 10 Abs. 1 HCVO grundsätzlich verboten, es sei denn, sie sind nach der Verordnung ausdrücklich zugelassen. Eine alphabetische Auflistung der zugelassenen Angaben findet sich im Anhang der Verordnung 432/2012 sowie auf dieser von der EU-Kommission verwalteten Webseite (EN).

Zugelassen sind unter anderem die folgenden Angaben

  • Calcium wird für die Erhaltung normaler Knochen benötigt
  • Jod trägt zu einer normalen kognitiven Funktion bei
  • Wasser trägt zur Erhaltung normaler körperlicher und kognitiver Funktionen bei
  • Zink trägt zur Erhaltung normaler Nägel bei
  • Zuckerfreier Kaugummi trägt zur Erhaltung der Zahnmineralisierung bei

Alle Aussagen stehen aber unter weiteren Bedingungen, welche ebenfalls dem Anhang der Verordnung entnommen werden können. So ist die obige Angabe zu Wasser nur zulässig, wenn der Verbraucher gleichzeitig darüber unterrichtet wird, dass täglich mindestens 2,0 l Wasser verzehrt werden sollten, um die angegebene Wirkung zu erzielen.

Verweise auf allgemeine, nichtspezifische Vorteile eines Nährstoffs oder Lebensmittels für die Gesundheit im Allgemeinen oder das gesundheitsbezogene Wohlbefinden sind nur zulässig, wenn ihnen eine in einer der Listen nach Art. 13 oder 14 HCVO enthaltene spezielle gesundheitsbezogene Angabe beigefügt ist (Art. 10 Abs. 3 HCVO). Hierunter fasste der BGH z.B. die Aussage "So wichtig wie das tägliche Glas Milch!" für Früchtequark (BGH, Urteil v. 12.02.2015, I ZR 36/11 - Monsterbacke II).

Weiter sieht die HCVO vor, dass gesundheitsbezogene Angaben nur gemacht werden dürfen, wenn bestimmte Hinweispflichten beachtet werden (Art. 10 Abs. 2 HCVO):

  • Einen Hinweis auf die Bedeutung einer abwechslungsreichen und ausgewogenen Ernährung und einer gesunden Lebensweise,
  • Informationen zur Menge des Lebensmittels und zum Verzehrmuster, die erforderlich sind, um die behauptete positive Wirkung zu erzielen,
  • Ggf. einen Hinweis an Personen, die es vermeiden sollten, dieses Lebensmittel zu verzehren, und
  • Einen geeigneten Warnhinweis bei Produkten, die bei übermäßigem Verzehr eine Gesundheitsgefahr darstellen könnten.

Ob es ausreicht, diese bei auf dem Produkt anzubringen, oder ob bereits ein Hinweis bei jeder Werbung erforderlich ist, ist noch nicht höchstrichterlich geklärt. Der Wortlaut der HCVO ist an dieser Stelle nicht eindeutig. Allerdings halten es bereits mehrere Gerichte für geboten, dass diese Angaben auch bereits in der Lebensmittelwerbung erfolgen müssen (OLG Koblenz Urteil v. 20.06.2012, 9 U 224/12; KG Berlin, Urteil v. 10.07.2015,  5 U 131/13).

2. Krankheitsbezogene Angaben

Bei den sog. "Risk Reduction Claims" handelt es sich um Angaben, nach welchen das Lebensmittel oder ein Bestandteil einen Risikofaktor für die Entwicklung einer Krankheit beim Menschen deutlich senkt. Eine Übersicht der zugelassenen und abgelehnten Angaben findet sich in den Anhängen der Verordnungen 1226/2014 und 1228/2014. Zugelassen wurde u.a.:

Vitamin D trägt dazu bei, die durch posturale Instabilität und Muskelschwäche bedingte Sturzgefahr zu verringern. Stürze sind bei Männern und Frauen ab 60 Jahren ein Risikofaktor für Knochenbrüche.

3. Nährwertbezogene Angaben

Nährwertbezogene Angaben müssen die im Anhang der Health-Claims-Verordnung festgelegten Bedingungen erfüllen. Wenn Lebensmittel mit nährwertbezogenen Angaben beworben werden, müssen diese Aussagen wahr und zutreffend sein. Dies bedeutet u.a.:

ZUCKERFREI

Die Angabe, ein Lebensmittel sei zuckerfrei, sowie jegliche Angabe, die für den Verbraucher voraussichtlich dieselbe Bedeutung hat, ist nur zulässig, wenn das Produkt nicht mehr als 0,5 g Zucker pro 100 g bzw. 100 ml enthält.

HOHER PROTEINGEHALT

Die Angabe, ein Lebensmittel habe einen hohen Proteingehalt, sowie jegliche Angabe, die für den Verbraucher voraussichtlich dieselbe Bedeutung hat, ist nur zulässig, wenn auf den Proteinanteil mindestens 20 % des gesamten Brennwerts des Lebensmittels entfallen.

Grundsätzlich gilt, dass sich nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben auf allgemein anerkannte wissenschaftliche Nachweise stützen und durch diese abgesichert sein müssen (Art. 6 Abs. 1 HCVO).

Was ist verboten?

Beschränkungen der HCVO

Für Getränke mit einem Alkoholgehalt von mehr als 1,2 Volumenprozent dürfen keine gesundheitsbezogenen Angaben gemacht werden (Art. 4 Abs. 3 HCVO). Darüber hinaus ist sind gem. Art. 12 HCVO u.a. Angaben, die den Eindruck erwecken, durch einen Verzicht auf das Lebensmittel könnte die Gesundheit beeinträchtigt werden oder Angaben über Dauer und Ausmaß der Gewichtsabnahme unzulässig.

Das sagen die deutschen Gerichte zu Health Claims

Auch verschiedene deutsche Gerichte mussten sich bereits mit der Problematik gesundheitsbezogener Werbeaussagen beschäftigen. Wir haben einige der wichtigsten Urteile zusammengestellt:

Gesund: Einen Rotbuschtee mit "Vitamine GESUND" zu bewerben, stellt eine allgemeine, unspezifische gesundheitsbezogene Angabe i.S.d. Art. 10 Abs. 3 HCVO dar, da es bei dem durchschnittlichen Verbraucher den Eindruck erwecken könne, dass der Verzehr des Lebensmittels zu einer Verbesserung des Gesundheitszustandes führe (so KG Berlin, Urteil v. 27.11.2015, 5 U 96/14). Daher ist hier noch eine spezielle gesundheitsbezogene Angabe nach dem Anhang der HCVO anzufügen, an welcher es vorliegend mangelte.

Praebiotik / Probiotik: Bei den Begriffen handelt es um gesundheitsbezogene Angaben i.S.d. HCVO (BGH, Urteil v. 26.02.2014, I ZR 178/12 – Praebiotik). Da diese aber nicht in die Liste der HCVO aufgenommen wurden, stellte die Verwendung der Begriffe Praebiotik / Probiotik eine unlautere Handlung i.S.d. UWG dar. Eine gesundheitsbezogene Phantasiebezeichnung darf nach Art. 1 Abs. 3 HCVO ohne gesonderte Zulassung nur verwendet werden, wenn ihnen eine verordnungskonforme weitere gesundheitsbezogene Angabe beigefügt ist.

Bekömmlich: Bei dem Begriff "Bekömmlichkeit" handelt es sich um eine gesundheitsbezogene Angabe, welche nicht für Sekt verwendet werden darf (LG Frankfurt/Oder, Urteil v. 27.08.2015, 31 O 35/15). Getränke mit einem Alkoholgehalt von mehr als 1,2 Volumenprozent dürfen keine gesundheitsbezogenen Angaben tragen (Art. 4 Abs. 3 HCVO).

Bereits 2012 wertete der EuGH die Bezeichnung "bekömmlich" für Wein, verbunden mit dem Hinweis auf einen reduzierten Gehalt an Stoffen, die von einer Vielzahl von Verbrauchern als nachteilig angesehen werden, als unzulässig (EuGH, Urteil v. 06.09.2012, C-544/10).

Entschlackend: Wird für Kapseln mit der Aussage "zur traditionellen Entschlackung" geworben, so handelt es sich hierbei ebenfalls um eine gesundheitsbezogene Angabe, welche gegen die HCVO verstößt, wenn die Entschlackungswirkung des Produkts nicht wissenschaftlich fundiert ist (OLG Hamm, Urteil v. 22.11.2012, I-4 U 97/12).

Vitalisierend: Alkoholfreies Bier darf nicht mit der Angabe "vitalisierend" beworben werden, wenn dem Begriff keine speziellen gesundheitsbezogenen Angaben beigefügt werden und in dem Bier Stoffe enthalten sind, die in der Verordnung beschrieben werden (OLG Hamm, Urteil v. 20.05.2014, 4 U 19/14).

Detox: Das LG Düsseldorf entschied, dass die Bezeichnung "Detox" für eine Kräutertee-Mischung unlauter ist, da es sich um eine gesundheitsbezogene Angabe handele, welche nicht zugelassen sei. „Detox“ werde von Verbrauchern als "Entgiftung" interpretiert, sodass eine spezielle Wirkung angesprochen wird (LG Düsseldorf, Urteil v. 22.05.2015, 38 O 119/14).

Unser TIPP

Die Health Claims-Verordnung stellt eine Marktverhaltensregelung dar, daher können Verstöße abgemahnt werden (§ 3a UWG). Weiter handelt es sich hierbei um ein sehr komplexes Regelwerk, sodass Händler, die auf gesundheitsbezogene Angaben zurückgreifen möchten, stets die Inanspruchnahme eines spezialisierten Rechtsanwalts erwägen sollten.

Wer hier selber kreativ ist oder gar von der Konkurrenz abschreibt, dem können teure Abmahnungen drohen. Haben Sie auch eine Abmahnung erhalten? Wir helfen weiter!

 

Über die Autorin


Madeleine Pilous ist Master of Laws (LL.M.) und als Legal Consultant bei der Trusted Shops GmbH tätig. Im Rahmen ihrer Tätigkeit betreute sie den Audit-Prozess deutscher und österreichischer Key Accounts und setzt sich seit vielen Jahren intensiv mit den für Online-Shops relevanten Rechtsgebieten, insbesondere dem Fernabsatz- und E-Commerce-Recht auseinander. Sie ist Blog-Autorin, an größeren Beratungsprojekten v.a. zum Bestellprozess-Relaunch von Online-Shops beteiligt und betreut die Trusted Shops Abmahnschutzpakete.

 

21.07.16

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