Geoblocking-VO - Diskriminierung verboten?!

Müssen Händler jetzt überall hin liefern und jedem Kunden alles anbieten? Besteht Grund zur Panik? Eins nach dem anderen:  Ab dem 3.12.2018, also pünktlich zum Weihnachtsgeschäft, tritt die neue Verordnung EU 2018/302 (nachfolgend Geoblocking-VO genannt) in Kraft. Die neuen EU-Vorgaben sollen ungerechtfertigtes Geoblocking sowie andere Formen der Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit, des Wohnsitzes oder des Ortes der Niederlassung des Kunden verhindern. Mit diesem Tipp der Woche geben wir Ihnen einen Überblick darüber, was auf Sie als Online-Händler zukommt und was ab Anfang Dezember im Online-Handel zu beachten ist.

 

Was versteht man unter Geoblocking und diskriminierenden Maßnahmen?

Zur Förderung des freien Handels im europäischen Binnenmarkt sollen Beschränkungen oder Zugangssperren zu Online-Benutzeroberflächen (z.B. Online-Shops oder Apps mit Kauffunktion) für grenzüberschreitende Geschäfte verboten werden. Durch die Auslesung der Länderkennung der IP-Adresse des Kunden kann dessen Standort ermittelt werden. So ist es möglich, bestimmten Kundengruppen den Zutritt zum Online-Angebot zu verwehren oder sie auf einen anderen (landesspezifischen) Online-Shop weiterzuleiten. Zudem werden die Verwendung verschiedener AGB und die Verweigerung länderspezifischer Zahlungsmittel den Geoblocking-Maßnahmen gleichgestellt.

 

Kurzum: Maßnahmen, die den Kunden aufgrund von Wohnsitz oder Niederlassung diskriminieren und sich objektiv nicht rechtfertigen lassen, sind nach den neuen EU-Vorgaben verboten.

 

Wen betrifft die Verordnung?

Die Geoblocking-VO gilt für grenzüberschreitende Sachverhalte zwischen Kunden und Anbietern innerhalb des EU-Binnenmarkts. Ausgenommen sind rein inländische Sachverhalte, also z.B. der belgische Kunde, der etwas bei einem belgischen Online-Händler bestellt.

„Kunde“ im Sinne der Verordnung ist ein Verbraucher, der die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedsstaats besitzt oder seinen Wohnsitz in einem Mitgliedsstaat hat. Aber auch Unternehmen können von dem Kundenbegriff erfasst sein, sofern das Unternehmen in einem Mitgliedsstaat niedergelassen ist und die Waren oder Dienstleistungen ausschließlich zur Endnutzung erwirbt oder dies anstrebt.

→  Die Geoblocking-VO gilt daher im B2C- sowie auch zum Teil im B2B-Bereich.

 

 „Anbieter“ ist jede natürliche oder juristische Person, unabhängig davon, ob letztere öffentlicher oder privater Natur ist, die für die Zwecke ihrer gewerblichen, geschäftlichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit selbst oder durch eine andere in ihrem Namen oder in ihrem Auftrag handelnde Person tätig wird.

Unter „Online-Benutzeroberflächen“ sind Online-Shops, mobil optimierte Online-Shop-Seiten oder Apps mit Kauffunktion zu verstehen, die dem Kunden Zugang zu Waren oder Dienstleistungen bieten, mit dem Ziel, ein Geschäft über diese Waren oder Dienstleistungen zu tätigen. Die Geoblocking-VO umfasst dabei auch Online-Marktplätze wie z.B. Ebay und Amazon.

Von der Geoblocking-VO ausgenommen sind unter anderem audiovisuelle Dienste (Musik-und Filmstreaming-Dienste), Finanzdienstleistungen, Glücksspiele, die einen geldwerten Einsatz verlangen, oder auch die Bereitstellung von urheberrechtlich geschützten Werken.

 

Was genau wird verboten?

Sperrung und Beschränkung des Zugangs

Artikel 3 Geoblocking-VO untersagt es einem Anbieter grundsätzlich, den Zugang von Kunden zu seiner Website aufgrund von ortsbezogenen Daten zu sperren, zu beschränken oder ihn auf eine andere Version der Website weiterzuleiten.

 

Im Grundsatz gilt: Online-Händler sollten Ihre Online-Präsenzen daher so ausgestalten, dass Kunden aus allen EU-Mitgliedstaaten problemlos auf den Online-Shop zugreifen können.

 

Die Weiterleitung auf eine speziell auf den Kunden abgestimmte Online-Seite kann in Ausnahmefällen möglich sein, sofern der Kunde dieser Weiterleitung ausdrücklich zugestimmt hat und die ursprüngliche Version des Online-Shops, auf die der Kunde zuerst zugreifen wollte, weiterhin leicht zugänglich bleibt.

Wollen Sie z.B. einen französischen Kunden beim Zugriff auf die deutsche Sprachvariante Ihres Online-Shops auf die französische Domain weiterleiten, bedarf es dazu einer ausdrücklichen Zustimmung. Dies kann beispielsweise in Form eines Infobanners mit zugehörigem Einwilligungsbutton bzw. zugehöriger Checkbox erfolgen.

Eine weitere Ausnahme besteht für Zugangsbeschränkungen, die zur Erfüllung rechtlicher Anforderungen notwendig sind, denen die Tätigkeit des Anbieters unterliegt. Als rechtfertigende Ausnahmen kommen z.B. der Jugendschutz oder auch Werbe-Vertriebsverbote in Betracht.

Schränkt man den Zugang wegen solcher Ausnahmen ein, so sind diese Gründe dem Kunden klar und deutlich in der Sprache, in der er anfänglich auf die Website zugreifen wollte, zu erläutern.

 

Verwendung unterschiedlicher AGB

Nach Artikel 4 Geoblocking-VO darf ein Anbieter für den Zugang zu Waren oder Dienstleistungen keine unterschiedlichen allgemeinen Geschäftsbedingungen verwenden, die sich nach der Staatsangehörigkeit, dem Wohnsitz oder dem Ort der Niederlassung des Kunden bestimmen. Dieses Verbot soll Kunden ermöglichen, Waren bzw. Dienstleistungen genau zu den gleichen Bedingungen zu erwerben, wie es für vergleichbare Kunden mit Wohnsitz in dem betreffenden Staat möglich ist.

Daraus ergibt sich zwar keine Lieferpflicht für den Anbieter, jedoch muss es dem Kunden ermöglicht werden, sich die Ware in einem vom Anbieter belieferten Mitgliedsstaat abzuholen, sofern Abholung grundsätzlich vom Händler angeboten wird, oder an eine dortige Lieferadresse schicken zu lassen.

Auch der Zugang zu elektronisch erbrachten Dienstleistungen (z.B. Webhosting, Cloud-Dienste) darf, wie der Zugang zu Waren, nicht in ungerechtfertigter Weise durch AGB beschränkt werden. Andere als elektronisch erbrachte Dienstleistungen (z.B. Hotelunterbringung, Sportveranstaltungen, Eintrittskarten für Musikfestivals), die am Standort des Anbieters erbracht werden, müssen Sie ebenfalls in diskriminierungsfreier Weise gegenüber EU-Kunden angebieten.

Ihnen als Online-Händler steht es weiterhin frei, das Liefergebiet bzw. Lieferbeschränkungen für den Online-Shop festzulegen (siehe dazu auch § 312j Abs. 1 BGB). Nur innerhalb des angebotenen Liefergebietes muss der Bezug der angebotenen Leistungen für alle EU-Kunden gewährleistet sein.

Ausgenommen von diesem Verbot sind unterschiedliche AGB für den Zugang einschließlich Nettoverkaufspreisen, die den Kunden des jeweiligen Mitgliedsstaates in nichtdiskriminierender Weise angeboten werden. So können Sie auch unterschiedliche Versandkosten für die verschiedenen Lieferländer weiterhin erheben.

Das Verbot gilt außerdem nicht beim Verkauf von Büchern (Buchpreisbindung) oder falls es dem Anbieter aufgrund von unionsrechtlichen oder in Einklang mit dem Unionsrecht stehenden mitgliedsstaatlichen Vorschriften (z.B. bzgl. des Jugendschutzes) untersagt ist, bestimmte Waren an Kunden in ein bestimmtes Hoheitsgebiet zu liefern. Vereinfacht gesagt: Abweichende Geschäftsbedingungen sind dann zulässig, wenn sie erforderlich sind, um den nationalen Gesetzen zu entsprechen.

 

Verbot von Diskriminierungen in Zusammenhang mit der Zahlung

Dem Anbieter ist es zudem nach Artikel 5 Geoblocking-VO untersagt, im Rahmen der von ihm angebotenen Zahlungsbedingungen im Online-Shop unterschiedliche Bedingungen aufgrund der Staatsangehörigkeit, des Wohnsitzes oder des Ortes der Niederlassung des Kunden, des Standorts des Zahlungskontos, des Ortes der Niederlassung des Zahlungsdienstleisters oder des Ausstellungsorts des Zahlungsinstruments innerhalb der Union unterschiedliche Bedingungen für einen Zahlungsvorgang anzuwenden.

Das Verbot gilt nur, wenn:

  1. die Kategorie (z.B. Kreditkarte) und Marke (z.B. Visa oder Mastercard) des in Frage stehenden Zahlungsmittels vom Anbieter grundsätzlich akzeptiert wird,
  2. die unterschiedlichen Bedingungen auf Zahlungsmittel der gleichen Kategorie und Marke angewendet werden,
  3. der Zahlungsvorgang über eine elektronische Transaktion (Überweisung, Lastschrift oder Karte) erfolgt,
  4. nach der Zahlungsdienstrichtlinie authentifiziert wird und
  5. die Zahlung in einer Währung erfolgt, die der Anbieter akzeptiert.

Das bedeutet, dass es weiterhin im Ermessen des Anbieters liegt zu entscheiden, welche Zahlungsmittel er in seinem Online-Shop überhaupt anbietet (z.B. Ausschluss von Rechnungskauf) oder nur bestimmte Marken eines Zahlungsmittels zuzulassen (z.B. nur Visa-Kreditkarten).

Wird im Online-Shop eine Debitkarte als Zahlungsmittel angeboten, besteht keine Pflicht, auch eine Kreditkarte derselben Marke des Zahlungsanbieters zu akzeptieren.

Zahlungen aus anderen Mitgliedstaaten müssen Sie akzeptieren, wenn das Zahlungsmittel im Online-Shop angeboten wird. Bietet Ihr Online-Shop beispielsweise die Zahlung mittels Visa- oder Mastercard an, können Sie Zahlungen mittels dieser Kreditkarten aus einem Mitgliedstaat wie z.B. Spanien und Polen nicht ohne berechtigte Gründe einfach ablehnen.

Der Anbieter kann durch objektive Gründe die Zurückhaltung der Ware bis zur Kaufpreiszahlung gem. Art. 5 Abs. 2 Geoblocking-VO weiter rechtfertigen. Gründe könnten sich hier beispielsweise aus Schwierigkeiten bei der Bonitätsprüfung ergeben. Somit sollte es weiterhin möglich sein, den Rechnungskauf zu verweigern oder die Ware zurückzuhalten, wenn das Zahlungsausfall- oder Betrugsrisiko nicht ausreichend minimiert werden kann.

Problematisch erscheint jedoch das Angebot von Zahlungsmitteln, die selbst wiederum über externe Zahlungsdienstleister angeboten und abgewickelt werden. Auch deren Bedingungen müssen der Geoblocking-VO gerecht werden und dürfen Kunden ihre Zahlungsmodalitäten nur in nichtdiskriminierender Weise anbieten.

 

Was gilt also für Sie als Shop-Betreiber?

Aus der Geoblocking-VO lassen sich für die Zukunft mehrere Punkte ableiten, auf die es zu achten gilt, um sich als Shop-Betreiber weiterhin rechtskonform zu verhalten. Die Regelungen der Verordnung können als Marktverhaltensregelungen eingestuft werden, und sind daher über das Wettbewerbsrecht abmahnfähig.

Sie sollten sicherstellen, dass Sie auf Ihrer Shop-Seite Rechnungsanschriften aus anderen Ländern akzeptieren. Die Auswahl der Rechnungsanschrift ist im Online-Shop meist technisch bedingt an die Auswahl der angebotenen Lieferländer geknüpft. Prüfen Sie daher Ihre Shopsoftware auf mögliche Einstellungsmöglichkeiten.

Außerdem sollten Sie darauf achten, dass kein Kunde bei der Auswahl der Zahlungsmethode diskriminiert wird. Einschränkungen sind aufgrund objektiv gerechtfertigter Gründe (z.B. Risiken des Zahlungsausfalls, Durchführung einer Bonitätsprüfung) denkbar.

Zugangssperren zum Online-Shop sollten abgestellt werden. Bieten Sie verschiedene Sprachvarianten des Online-Shops an? So ist weiterhin zu prüfen, ob aufgrund von gesetzlichen Vorschriften eine Weiterleitung zwingend notwendig ist. Ist dies nicht der Fall, ist die automatische Weiterleitung abzuschalten. Möchten Sie die Weiterleitung über eine Einwilligung rechtfertigen, sollte es entsprechende Opt-In und Opt-Out Möglichkeiten beispielsweise im Kundenkonto des Online-Shops geben.

Zusätzlich sollten Sie Ihre AGB daraufhin kontrollieren, ob ein Kunde durch diese wegen seiner Staatsangehörigkeit, seines Wohnsitzes oder des Ortes seiner Niederlassung in verbotener Weise diskriminiert wird.

 

Über den Autor


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Konstantin Schröter ist Master of Laws (LL.M.) und als Legal Consultant bei der Trusted Shops GmbH tätig. Bachelorstudium des Wirtschaftsrechts an der Technischen Universität Dresden sowie Masterstudium an der Technischen Hochschule Köln. Im Rahmen seiner Tätigkeit betreute er den Audit-Prozess DACH und war für die Vorabprüfung kritischer Geschäftsmodelle bezüglich der Einhaltung der Trusted Shops Qualitätskriterien zuständig. Konstantin Schröter betreut die Trusted Shops Abmahnschutzpakete und setzt sich intensiv mit rechtlichen Fragestellungen des E-Commerce auseinander.

04.10.18

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