Paketdienst wegen Corona außer Betrieb! Lieferzeit gegenüber Verbrauchern nicht eingehalten – und jetzt?

Die bestellte Ware ist nicht vorrätig, Sie kommen mit der Bearbeitung der Bestellungen nicht hinterher, wegen Corona hat der Paketdienst seine Lieferungen eingestellt oder der Auftrag ist einfach vergessen worden. Worauf müssen Sie sich als Online-Händlerin und -Händler einstellen, wenn Sie die angegebene Lieferzeit nicht einhalten können?

 

Die gute Nachricht:

In der Regel entstehen bei Lieferungen an Verbraucher keine Schäden durch Lieferverzögerungen und es handelt sich hier auch nicht bei jeder Verzögerung direkt um einen abmahnbaren Wettbewerbsverstoß. Dennoch müssen Sie einige Punkte beachten.

 

Informieren Sie den Verbraucher über Verzögerungen!

Wenn Sie den Liefertermin nicht einhalten können, sollten Sie den Verbraucher unbedingt hierüber informieren und eine neue Lieferfrist nennen. Wenn Sie mit offenen Karten spielen, wird ein Verbraucher in der Regel wohlwollender auf Verzögerungen reagieren, als wenn Sie sie bzw. ihn im Dunkeln tappen lassen, wann das Paket endlich kommt.

Corona kann an vielen Stellen die Lieferkette beeinträchtigen. Auch für den Fall, dass Sie Ihre Kundinnen und Kunden grundsätzlich weiterhin beliefern können und lediglich die Lieferzeit sich verzögert,  ist nach dem genauen Grund für diese Verzögerung zu fragen. Zu unterscheiden ist insbesondere, ob die Sie das Paket mit Verzögerung an das Versandunternehmen übergeben, z.B. weil Sie selbst erst verspätet beliefert worden sind, oder das Versandunternehmen es nicht rechtzeitig ausliefern kann, z.B. weil außerordentlich viele Mitarbeiter in Quarantäne sind.

Welche Rechte hat der Verbraucher, wenn die Verzögerung bei Ihnen vorliegt?

Rücktritt: Der Verbraucher muss Ihnen grundsätzlich zunächst eine angemessene Frist setzen, in der Sie Ihren vertraglichen Verpflichtung noch nachkommen und liefern können. Ausnahmen bestehen zum Beispiel, wenn Sie die Lieferung verweigert haben oder ein konkreter Liefertermin vereinbart war. Gute Nachricht für Sie: Die Angabe von Lieferzeiten im Online-Shop auf den Angebotsseiten ist in der Regel kein vereinbarter fester Liefertermin. In der überwiegenden Mehrzahl der Fälle ist eine Fristsetzung durch den Verbraucher erforderlich.

Spätestens nach der Fristsetzung befinden Sie sich aber im sogenannten Schuldnerverzug.

Ist die Nachfrist zur Lieferung erfolglos verstrichen, kann die Kundin bzw. der Kunde vom Vertrag zurücktreten und erhält den gezahlten Kaufpreis zurück. In der Praxis spielt der Rücktritt im B2C-Bereich eine untergeordnete Rolle, weil der Verbraucher in der Regel ohnehin ein Widerrufsrecht hat.

Schadensersatz: Tritt der Verbraucher nach der Fristsetzung nicht vom Vertrag zurück, kann sie bzw. er neben der Lieferung der Ware auch den sogenannten Verzugsschaden ersetzt verlangen. Dieser umfasst alle Schäden, die durch die verspätete Lieferung entstanden sind, also bspw. die Kosten für einen Mietwagen oder ein Leihgerät.

Besteht kein Interesse mehr an der Lieferung der Ware, kann der Verbraucher auch Schadensersatz statt der Leistung einfordern. In diesem Fall müssen Sie als Online-Händlerin oder –Händler alle real entstandenen Schäden bezahlen. Dazu können z. B. der entgangene Gewinn aus einem verpassten Weiterverkauf, aber auch die Mehrkosten für einen Ersatzkauf gehören. Die Mehrkosten für den Ersatzkauf dürften in der Praxis die größte Rolle spielen. Ein Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung besteht aber nur, wenn der Verbraucher Sie zuvor erfolglos unter Fristsetzung zur Leistung aufgefordert hat.

 

Welche Rolle spielt Verschulden?

Der Schuldnerverzug, der Schadensersatzansprüche auslöst, tritt nicht ein, wenn die Leistung infolge eines Umstands unterbleibt, den der Schuldner nicht zu vertreten hat. Das Gleiche gilt für den Schadensersatz statt der Leistung. Grundsätzlich haben Sie Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten. Doch was passiert, wenn der Geschäftsbetrieb wegen einer Infektionswelle, wie aktuell dem Corona-Virus, außer Gefecht gesetzt ist?

Liegt ein Fall von „höherer Gewalt“ vor, können Sie nicht mehr haftbar gemacht werden. Höhere Gewalt liegt vor, wenn ein betriebsfremdes, von außen durch Naturkräfte oder durch Handlungen Dritter herbeigeführtes Ereignis eintritt, das nach menschlicher Einsicht und Erfahrung nahezu unvorhersehbar ist und auch durch den Einsatz äußerster Sorgfalt nicht verhindert werden kann.

Zu verstehen sind darunter also in erster Linie Naturkatastrophen, Kriege, politische Unruhen, aber auch Epidemien. Das Corona-Virus kann also tatsächlich ein Grund dafür sein, dass Sie nicht haften. Allerdings obliegt die Beweislast, dass aufgrund der Infektionswelle die Lieferung verzögert wurde der Online-Händlerin oder dem Online-Händler. Es müssen also außerordentliche Umstände vorliegen, damit Sie sich auf nachvollziehbar auf den Umstand berufen können. Das könnte beispielsweise der Fall sein, wenn Ihr Betrieb unter Quarantäne gestellt wird oder die Bundesregierung die Handelswege unterbricht.

 

Welche Rechte hat der Verbraucher, wenn das Versandunternehmen verspätet ausliefert?

Beim Versendungskauf handelt es sich rechtlich gesehen um eine sog. Schickschuld. Das bedeutet, dass Ihre Pflichten sich darin erschöpfen, die ausgewählte Sache an eine geeignete Transportperson zum Zwecke des Transports an die angegebene Lieferadresse zu übergeben. Haben Sie das getan und kommt es auf dem Versandweg zu Verzögerungen aufgrund der Coronakrise, kann Ihnen in aller Regel keine Pflichtverletzung vorgeworfen werden. Denn die Durchführung des Transports schulden Sie gerade nicht. Ihre Kundinnen und Kunden können weder vom Vertrag zurücktreten noch Schadensersatz verlangen.


Eine Ausnahme kann aber dann vorliegen, wenn im Zeitpunkt der Übergabe Betriebsstörungen beim Versandunternehmen bereits gegeben waren. Dann ist im Einzelfall zu klären, ob der Versanddienst unter diesen Umständen als einen für den  Transport geeigneten gilt und Sie Ihre Pflichten fehlerfrei erfüllt haben, wenn Sie ihn trotz Betriebsstörungen beauftragt haben. Eine wichtige Rolle spielt zudem die Frage, ob Ihnen die Lieferhindernisse bekannt waren oder Sie mit Ihnen zumindest rechnen mussten.  

Muss der Verbraucher ein gleichwertiges Ersatzprodukt akzeptieren?

Falls die bestellte Ware überhaupt nicht lieferbar ist, können Sie versuchen, dem Käufer ein Ersatzprodukt anzubieten. Diese Alternative muss der Verbraucher allerdings nicht akzeptieren! Den Kaufvertrag, aus dem sich Ihre Pflicht zur Lieferung der Ware ergibt, können Sie nicht einseitig  ohne Zustimmung des Verbrauchers ändern.

 

Unser Tipp

Achten Sie bei der Nennung der Lieferzeiten darauf, realistische Angaben zu machen. Sie finden in unserem Rechtstipp der Woche „Lieferzeitangaben: Auf diese Formulierungen sollten Sie besser verzichten!“ alle Infos, die Sie für die korrekte Angabe der Lieferzeiten brauchen.  Sollte es trotz aller Vorsorge doch zu Verzögerungen kommen, informieren Sie direkt den Verbraucher. Wie die Rechtslage in diesem Fall aussieht erfahren Sie in unserem Tipp der Woche „Lieferprobleme wegen Corona? Das sind Ihre Rechte!

 

Hinweis: Dieser Artikel erschien ursprünglich am 06.03.2020 und wurde am 24.03.2020 aktualisiert. Es wurden unter andem Präzisierungen zur Unmöglichkeit der Leistung eingefügt und ein Absatz konkret zu Verbraucherrechten bei verspäteter Auslieferung durch das Versandunternehmen ergänzt. (Frieder Schelle)

 

Über den Autor

 

autor_frieder_schelleFrieder Schelle ist Wirtschaftsjurist und seit 2011 für Trusted Shops im Bereich Audit and Legal tätig. Er war verantwortlich für die Entwicklung rechtlicher Dokumente im Rahmen der Auditierung Schweizer Onlineshops und für die Betreuung deutscher und britischer Shops im Auditprozess. Seit 2014 ist Frieder im Bereich Legal Expert Services als Consultant tätig und betreut Rechtsberatungsprojekte und die Trusted Shops Abmahnschutzpakete. Frieder Schelle beschäftigt sich seit 2008 intensiv mit den Themenfeldern Wettbewerbs- und Medienrecht.

 

05.03.20

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